Resumé der ersten vier Wochen: Lesen, lesen, lesen…

…und lesen. Bevor ich zu Reed kam, hatte ich in den Erfahrungsberichten der FU gelesen, dass Reed zu den Colleges mit den meisten Hausaufgaben zählt – ich denke, dass ich langsam ein Gefühl dafür bekomme, was das heisst. Die Bibliothekarin kennt schon meinen Namen und wer mich besuchen will, findet mich in der zweiten Etage nahe der klangvollen Klimaanlage und sollte mir besser einen Kaffee mitbringen.

Aber wenn ich ehrlich bin: Da die Atmosphäre auf dem Campus fantastisch ist und alle StudentInnen mit dem selben Lesepensum zu kämpfen haben, ist dies auch eine ganz neue und durchweg intensive Erfahrung für mich, mein Leben vollständig „nach Büchern“ zu richten. Und wirklich: Die Bibliothek (unter der Woche bis 2:30Uhr morgens offen!) ist exzellent ausgestattet mit allerlei Sesseln, Couches und den neuesten Mac Computern (Dank Steve Jobs). Auf jede/n StudentIn kommt hier ein Computer, ich muss also nie anstehen. Drucker und Kopierer gibt es überall, hier wartet man folglich nie bis zu 2h (FU!) auf seine Ausdrucke. Die Profs sorgen außerdem dafür, dass alle aktuell zu lesenden Bücher, Artikel, Journals etc. beim Check-In bereitliegen.

Da ich nun exakt vier Wochen hier bin, bekomme ich langsam einen routinierten Tagesablauf, der ungefähr wie folgt ist:

  • 8-9 Uhr: aufstehen, schnelles Frühstück. Habe mir Cornflakes besorgt, damit ich morgens keine Zeit damit verschwende, in der Cafeteria zu essen. Danach: Lesen.
  • Kurse. Manchmal erheiternd und mit viel Partizipation meinerseits, manchmal peinliches Schweigen und viele Fragezeichen –> Sich irritiert und leicht dumm fühlen (vor allen Dingen, wenn die Profs Dinge sagen wie: „Du bist doch aus Deutschland, erzähl uns doch mal was von Marx und erkläre, was ‚historischer Materialismus‘ ist„) –> große Scham empfinden –> Amis verfluchen, die jünger, aber klüger sind. Zwischen den Kursen in die Bib rennen und: nachschlagen, was Marx so alles gesagt hat.
  • gegen 17Uhr: Kaffee besorgen, María auf einen kurzen Chat treffen, und: zurück in die Bib
  • Gegen 19-20Uhr treffe ich mich dann meist mit den anderen internationalen StudentInnen zum Abendbrot, wahlweise am deutschen, russischen, französischen oder spanischen „Stammtisch“, wo auch wirklich (!) nur die jeweilige Sprache gesprochen wird. Es ist unglaublich zu beobachten, wie die StudentInnen hier auch in der Freizeit auf ihr Studium konzentriert sind: wenn wir einen Film gucken, ist der bestimmt nicht in Englisch, sondern in Französisch, Spanisch oder Russisch. Wenn wir essen, wird weiter über den Unterrichtsstoff diskutiert. Zumindest unter der Woche gibt es kein Entkommen: Reed ist absolut studienorientiert. Jede Veranstaltung muss lehrreich sein und am besten 2-sprachig.
  • Danach: das letzte Mal in die Bibliothek und bleibe dort, bis mir fast die Augen zufallen oder ich anfange, Sätze 8x zu lesen
  • Am Montag gehe um 21Uhr zum Meeting der feministischen StudentInnengruppe. Donnerstag und Sonntag ist ACapella-Probe (welche wirklich fantastisch ist: Wir singen Lieder wie „Eye of the Tiger“ oder „Tainted Love“, wie gesagt: A Capella, aber mit Beatbox-Begleitung (!) eines Typen, klingt klasse! Auch hier muss ich wieder sagen: Unglaublich, wie konzentriert und zielorientiert die Leute sind)
  • Montag, Mittwoch und Freitag hole ich dann noch im Deutsch Department die Hausaufgaben der Deutschklasse ab und korrigiere diese, wofür ich ungefähr 2h (= $20, yeah) brauche.
  • Gegen 1-2: Schlafenszeit.

Klingt viel? Ist auch so!

Ihr fragt euch, ob es sich überhaupt lohnt, zwischen den Kursen für eine Stunde in die Bibliothek zu rennen?

Oh ja, denn alle Wege sind hier superkurz. Von meinem dorm zum Klassenraum sind es knappe drei Minuten, zur Bibliothek dann nur noch zwei. Ich muss praktisch nur die Canyon Bridge (nachts auch die Blue Bridge genannt) überqueren (siehe Campus-Fotos), und bin da.

Da ich Freitag nur Französisch habe, gönne ich mir einen Break und „schlafe aus“ – bis um 10 – und gehe erst nachmittags in die Bib. Da hier am Wochenende immer irgendwas los ist (und wenn nicht, sorgen wir schon dafür), muss ich mir über die Wochenendplanung keine Sorgen machen. Trotzdem werde ich wahrscheinlich am Wochenende immer ein bisschen vorlesen, damit ich in der Woche nicht so erschlagen werde. Plus: Diese Woche musste ich anfangen, Essays und Hausarbeiten zu schreiben, weil die Amis alle Arbeiten innerhalb des Semesters schreiben, dafür aber in den Ferien auch wirklich frei haben. Habe gestern mein erstes Essay abgegeben, 4 Seiten, geschrieben in ein paar Stunden, weil ich es irgendwie bis zur letzten Minute rausgeschoben habe und dann Samstag Mittag dachte: „Damn it, um 5 ist Abgabe…!“ Aber irgendwie konnte ich das nicht anders koordinieren, weil ich das Essay auch erst 2 Tage vorher aufbekommen hab.

Ich schwanke momentan stimmungsmäßig zwischen ‚hoch‘ („Du schaffst das, nur noch 20 Seiten!“), ‚mittel‘ („Ich bin die langsamste und dümmste Person in diesem Raum, aber hey, das sind ja auch Superlative!“) und ‚tief‘ (müde, frustriert, den eigenen Verstand anzweifelnd). Wenn man das Gefühl hat, dass man, egal wie viel man arbeitet, nicht fertig wird (oder nicht im Stande ist, eine der Fragen adäquat zu beantworten, weil man nur rumstammelt und das englische Vokabular zum Thema noch nicht kennt), kann das echt frustrierend werden. Glücklicherweise ist María traumhaft und schreibt mir witzige SMS oder bringt mir Kaffee – in die Bibliothek.

PS: Da ich hier keinen Fernsehr habe, ist Youtube meine neue beste Freundin. Absolut empfehlenswert: Sarah Haskins. Sehr geistreiche und witzige Kommentare, diesmal:

Frauen und der Wischmob = eine zutiefste erfüllende Liebe (englisch, but you gotta watch it!!)

Für Adamski und Phil: ‚Chickflicks‘. Liebe, Kind und Weibertratsch = Glückliche Frau.

3 Responses to Resumé der ersten vier Wochen: Lesen, lesen, lesen…

  1. goddamnstalker sagt:

    du weisst aber schon um die seite http://www.hulu.com, na klar kennst du die ich glaube du hast sogar nen clip geposted (snl) da kann man gaaaanz viele serien gucken…. du brauchst gar keinen tv…

  2. Chris sagt:

    Liebe Grüße aus den Ferien aus good old germany. Schön zu lesen was du so treibst und beeindruckend wie du das alles meisterst! Deine FU-Ische Christin

  3. phil sagt:

    I would so marry Colin Firth …. wait. o____O

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